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Prof. Münkler

Universität und Schule

Humboldt-Lectures in der Aula

Politische Theorie, Weltgeschichte und die Abgründe der Weltpolitik heute - oder: Asymmetrische Kriege als Signatur der 1. Hälfte des 21. Jahrhunderts

Prof. Dr. Herfried Münkler (Humboldt-Universität Berlin) hielt am 31. August 2006 vor Schülerinnen und Schülern der Sek. II sowie interessierten Kollegen und Gästen einen Vortrag mit dem Thema "Die neuen Kriege".

Prof. Münkler sprach nur eine knappe Stunde vor den Schülerinnen und Schülern des 12. und 13. Jahrgangs über die Themen, die ihn seit Jahren - niedergelegt in seinen großen Publikationen von 2002 und 2005 über "Die neuen Kriege" und "Imperien" - beschäftigen, und er traf das junge Auditorium - nicht ins Herz, eher in die offenen Flanken des politischen Verstandes und der herkömmlichen politischen Vernunft. Eine heilsame Korrektur dessen, was zum demokratisch-pädagogischen Common Sense des Unterrichts in Deutschland gehört.
Keine leichte Kost, denn der Vortragende näherte sich seinem Thema über den (scheinbaren) Umweg, zunächst auf die Methode der politischen Begriffsbildung einzugehen und dies am Beispiel der Kategorien des Generals von Clausewitz zu verdeutlichen, dessen Theorie vom Krieg in Wahrheit eine Fortsetzung der klassischen politischen Theorien der Neuzeit ist. Münkler - in Anlehnung an Clausewitz: Es kommt darauf an, die Formen des Krieges zu durchdenken, also auch die neuen Formen, mit denen wir heute konfrontiert sind. Prof. Münkler gab Beispiele für den gedanklich präzisen Umgang mit den militärischen Begriffen im politischen Kontext und steuerte dann, auf dieser Basis, auf einen Geschichtsüberblick zu, der die Entstehung der neuzeitlichen Staaten seit dem 16. Jahrhundert im Lichte des hervorwachsenden staatlichen Gewaltmonopols und damit auch der Monopolisierung des Kriegsfähigkeit erläuterte. Angelpunkt der Betrachtung waren die stets wachsenden Kosten der technisch zunehmend aufwendigeren Kriegführung, die den Staat gewissermaßen in den Stand setzten, die Fähigkeit zu effektiver Gewaltanwendung auf sich zu vereinigen. Es entstand ein System kriegsfähiger Akteure, also von Staaten, das durch Symmetrie des militärischen Gewaltpotentials gekennzeichnet war, dass also im Laufe der Geschichte bis hin zum Ost-West-Gegensatz des 20. Jhs. und zum sog. atomaren Patt zwischen USA und UdSSR durch Auf- bzw. Nachrüstung Ungleichgewichte wieder kompensiert werden konnten: durch Re-Symettrierung in Münklers Worten.

Heute aber, so Prof. Münkler, erleben wir eine Verbilligung des Krieges und damit ein Unterlaufen der gewohnten staatlichen Schwelle zum Krieg, was unsere Zeit zunehmend labil und gefährlich macht. Einerseits gelingt es sog. Warlords in Regionen der Dritten Welt, massenhaft Kriegsfähige mit mobilen, billigen Waffen auszurüsten, andererseits attackiert eine Gruppe von Extremisten die hochgerüsteten, reichen Staaten (des Westens) selbst, indem sie deren Wohlstandstechnik in Waffen, in Destruktionsmittel verwandelt (vgl. den 11. Sept. 2001), also ohne nennenswerte Kosten den technischen Fortschritt unserer Zivilisation umpolt in Szenarien des Untergangs.

Insbesondere die Fähigkeit, in der eigenen fanatischen Anhängerschaft Bereitschaft zu "heroischen" Opfern zu erzeugen und über die Medien Bilder von "unschuldigen zivilen Opfern" zu verbreiten und so die Weltöffentlichkeit zu manipulieren, setze die Staaten heute unter Druck und zwinge ihnen ein neues Maß an Zusatzkosten für Sicherheit und Terrorabwehr auf. Münkler hält diese "Asymmetrie" der Gewalt für ein Hauptkennzeichen der gegenwärtigen Epoche.

In der anschließenden Frage- und Antwortrunde, in der es von Schülerseite um die Suche nach friedlichen Alternativen ging, wurde nochmals deutlich, welche Folgerungen aus dieser globalen Asymmetrie der Gewaltpotentiale erwachsen. -
Ein Vortrag und eine Aussprache, die drastisch die Grenzen des Wünschbaren aufzeigten und zudem Formen der quasi-privaten, sich tendenziell verselbständigenden Kriegführung in den Raum stellten, auf die wir uns gefasst machen müssen.

Martin Reimann